Die Ballade vom müden Herrscher

Im  Garten eines schönen Palasts
steht der Regent und sinnt;
Dienstboten eilen vorbei in Hast,
irgendwo eine Dienstmagd singt.

Ein junger Mann gesellt sich zu ihm,
noch fast ein Kind in seinen Jahren;
doch stolz erhoben ist sein Kinn,
ein Krieger, im Schwertkampf erfahren.

Kühn blickt er den Regenten an,
Wagemut spricht aus seinen Worten;
er weiß genau, daß er das kann,
als Soldat ist er bekannt an vielen Orten.

Eure Hände sind leer,
und Euer Blick so müde und kalt.
Fallen die Bewegungen schwer ?
Oh Herr, seid Ihr alt ?

Nie wieder ein Schwert,
sagtet Ihr vor vielen Jahren schon.
Doch war es das wert ?
Was war Euer Lohn ?

Die Worte der Weisen sind vergessen,
vergessen ist auch Euer Mut.
Die Seele ist vom Zorn zerfressen,
vom Feuer ist übrig nur die Glut.

Nicht ein Wort kommt über Eure Lippen,
nicht ein Schrei, nur stummer Zorn.
Früher ward Ihr in die Schlacht geritten,
mit Ruhm und Ehre und stets weit vorn.

Herr, wo ist das Feuer Eurer Seele ?
Ist es verloschen mit der Zeit ?
Steht auf, daß es Euch nicht mehr quäle,
nehmt das Schwert zum Kampf bereit.

Seht nicht hin auf Eure Sippe,
die dort im blutigen Sande liegt.
Wahre Freud' und wahres Glücke
habt Ihr nur, wenn Freiheit siegt.

Müde hebt der Regent den Blick,
doch laut erhebt er seine Stimme:
Was redet Ihr denn da von Glück ?
Habt Ihr verloren Eure Sinne ?

Beherrscht entgegnet der junge Soldat:
Herr, wenn Ihr weiter regieren wollt,
denkt nicht an das, was Ihr nicht habt,
sondern an Euer tapferes Volk.

Seine Freiheit, Herr, die meine ich,
für das Ihr kämpfen müßt.
Das Volk braucht einen Herren nicht,
der es gänzlich im Kummer vergißt.

Nun steht der Regent beklommen da.
Wie konnte er seine königliche Pflicht
vergessen darüber, was einmal war,
wo doch die Zukunft ist in Sicht.

Und er nimmt sein Schwert zum Kampf bereit,
voll Zorn und Kummer - doch er bleibt stumm.
Und grimmig er sein Volk befreit,
nie wieder drehte er sich um.
 
 

©  Britta Druchleuchter & Carolin Gröhl